Was ist Gonadoliberin (GnRH) und welchen Einfluss hat es auf die Fruchtbarkeit?
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Was ist Gonadoliberin (GnRH) und welchen Einfluss hat es auf die Fruchtbarkeit?

Thea Walmsley Thea Walmsley

Falls du dich bereits über das Fortpflanzungssystem und die Fruchtbarkeit informiert hast, hast du wahrscheinlich von der Bedeutung der Hormone gehört und bist eventuell mit den wichtigsten Akteuren wie Östrogen und Progesteron vertraut. Für ein Verständnis des Ganzen müssen wir jedoch auch die weniger bekannten Hormone wie Gonadoliberin (GnRH) kennen, die die Fortpflanzungsprozesse hinter den Kulissen steuern.

Bevor wir uns jedoch eingehender mit dem Gonadoliberin beschäftigen, sollten wir uns in Erinnerung rufen, was Hormone sind und welche Rolle sie spielen. Hormone sind die chemischen Botenstoffe unseres Körpers, die ein Vielzahl von Körperfunktionen regeln. Sie werden von verschiedenen Drüsen in den Blutkreislauf freigesetzt, durch den sie ihre Zielorgane erreichen und diesen mitteilen, was sie wie tun sollen.

Obgleich dies für alle möglichen Körperprozesse gilt, sind die Hormone aufgrund ihrer Bedeutung für den Menstruationszyklus besonders wichtig für die Fruchtbarkeit. Der Menstruationszyklus wird durch das komplexe Zusammenspiel verschiedener Hormone gesteuert, das die Freisetzung einer Eizelle – auch als Eisprung bezeichnet – in der Mitte des Zyklus auslöst, was für eine Schwangerschaft unerlässlich ist.

Nun, da wir diesen Zusammenhang verstehen, werden wir uns die Bedeutung des Gonadoliberins in diesem Prozess genauer ansehen.

Um das Ganze in die richtige Perspektive zu rücken, müssen wir etwas ins Detail gehen, werden dir jedoch alles schrittweise erklären.

 

Was ist Gonadoliberin?

Gonadoliberin wird auch als GnRH bezeichnet, was die Abkürzung für Gonadotropin-Releasing-Hormon ist. Es wird durch den Hypothalamus im Gehirn sezerniert, der mit der Hypophyse verbunden ist [1]. Stell dir diese Teile deines Gehirns wie eine Art Kommandozentrum vor – der Hypothalamus sagt der Hypophyse, welche Hormone freigesetzt oder unterdrückt werden sollen, und diese Hormone erfüllen dann im Körper alle möglichen Funktionen, vom Schlaf [2] bis zur Menstruation [3].

Gonadoliberin ist der Ausgangspunkt einer komplexen Kette von hormonellen Signalen, die bei Männern und Frauen wesentliche Aspekte der Fortpflanzung steuern. Es wird mit dem Beginn der Pubertät in größeren Mengen durch den Körper produziert. Nachdem das Gonadoliberin durch den Hypothalamus sezerniert wurde, löst es die Freisetzung von zwei wichtigen Fortpflanzungshormonen aus der Hypophyse aus: Follikelstimulierendes Hormon (FSH) und luteinisierendes Hormon (LH) [4].

 

Welche Wirkung hat das Gonadoliberin bei Männern und Frauen?

Bei Frauen stimulieren das durch die Hypophyse freigesetzte LH und FSH die Entwicklung von Follikeln in den Eierstöcken, was wiederum zu einem Anstieg von Östrogen und Progesteron während des Menstruationszyklus führt. Das FSH ist für den Beginn der Eizellreifung und den Östrogenanstieg verantwortlich, während das LH die Eizellreifung weiter unterstützt und schließlich die Freisetzung der Eizelle während des Eisprungs auslöst.

Bei Männern stimulieren das LH und FSH die Hoden, die wiederum Testosteron freisetzen, und tragen so zur Spermienreifung bei [4]. Das Gonadoliberin wird jedoch bei beiden Geschlechtern auf unterschiedliche Weise sezerniert: Bei Männern wird es in Schüben mit einer konstanten Frequenz freigesetzt, während die Frequenz dieser Schübe bei Frauen stark zwischen den verschiedenen Phasen des Menstruationszyklus variiert [4].

Das Gonadoliberin agiert in einer negativen Rückkopplungsschleife mit den Fortpflanzungshormonen Östrogen, Progesteron und Testosteron, was zur Aufrechterhaltung des physiologischen Gleichgewichts des Körpers beiträgt. Wenn die Spiegel dieser Fortpflanzungshormone beispielsweise hoch sind, wird dem Hypothalamus mitgeteilt, dass er weniger Gonadoliberin produzieren soll. Wenn die Spiegel dieser Fortpflanzungshormone dahingegen niedrig sind, wird das Gegenteil passieren, d. h. dein Körper wird mehr Gonadoliberin produzieren [4].

 

Warum ist das Gonadoliberin wichtig für die Fruchtbarkeit?

Gonadoliberin ist deshalb so wichtig für das Fortpflanzungssystem, weil die anderen Hormone, die es steuert (LH, FSH und indirekt Östrogen und Progesteron), eine bedeutende Rolle für den Eisprung und die Empfängnis – oder mit anderen Worten für die zu einer Schwangerschaft führenden Ereignisse – spielen. Wenn der GnRH-Spiegel zu hoch oder zu niedrig ist, kann dies die Empfängnisfähigkeit beeinträchtigen und mit anderen gesundheitlichen Problemen einhergehen.

Es zu hoher GnRH-Spiegel ist ziemlich selten. Ein zu geringer GnRH-Spiegel ist jedoch u. a. mit den folgenden Problemen verbunden:

  •     Anovulation (Zyklen, bei denen dein Körper keine Eizelle freisetzt) [1],
  •     Amenorrhoe (ausgebliebene Perioden) [1],
  •     Unfruchtbarkeit (bei Männern und Frauen) [5],
  •     geringer Sexualtrieb (Libidomangel) [5].

Dies liegt daran, dass eine gestörte GnRH-Produktion zu einer unzureichenden Produktion von LH und FSH führt, wodurch die Eierstöcke keine reifen Eizellen freisetzen und der Eisprung und die Menstruation folglich ausbleiben werden. Bei der männlichen Unfruchtbarkeit führen diese niedrigen LH- und FSH-Spiegel zu niedrigen Testosteronwerten, was die Spermienproduktion beeinträchtigt.

Gonadoliberin ist zudem insofern wichtig, als dass medizinische Behandlungen entwickelt wurden, die die Funktion dieses Hormons im Körper imitieren und heutzutage zur Behandlung einer Vielzahl von Erkrankungen – einschließlich Unfruchtbarkeit – eingesetzt werden [6].

 

Was sind GnRH-Agonisten und -Antagonisten?

Nun, da wir verstehen, was das Gonadoliberin ist und wie es im Körper funktioniert, können wir uns seiner medizinischen Anwendung zur Behandlung von Erkrankungen wie Endometriose [7], PCOS (polyzystisches Ovar-Syndrom) [8] und Unfruchtbarkeit bei Frauen [9] sowie Prostatakrebs bei Männern zuwenden [10]. Hier kommen GnRH-Analoga ins Spiel.

GnRH-Analoga sind eine Klasse von Medikamenten, die die GnRH-Produktion im Körper beeinflussen, was wiederum einen Einfluss auf die LH- und FSH-Freisetzung hat. Es gibt zwei Arten dieser Medikamente: Agonisten und Antagonisten. Agonisten stimulieren die Freisetzung von LH und FSH, während Antagonisten sie unterdrücken [11].

Wenn einer Person beispielsweise ein GnRH-Agonist gegeben wird, ahmt dieses das echte Gonadoliberin im Körper nach [11]. Wenn die Hypophyse auf einen GnRH-Agonisten trifft, wird sie zunächst große LH- und FSH-Mengen sezernieren, bevor der Körper schließlich die Freisetzung dieser beiden Hormone einen bestimmten Zeitraum lang unterdrückt, wodurch ein Zeitfenster für die Durchführung anderer Hormontherapien entsteht [11].

Es gibt zwei Möglichkeiten zur Behandlung mit GnRH-Analoga: pulsatil oder kontinuierlich. Die pulsatile Anwendung der GnRH-Analoga erfolgt in der Regel während einer kurzen Behandlungsdauer, die den Eisprung durch eine Erhöhung der FSH- und LH-Spiegel auslösen soll [11]. Eine kontinuierliche Anwendung führt hingegen zu einer drastischen Abnahme der Hormone FSH und LH sowie des Progesterons, Testosterons und Östrogens und wird zur Behandlung hormonempfindlicher Erkrankungen wie PCOS durchgeführt [11].

Trotz ihrer unterschiedlichen Wirkungsweise hat die kontinuierliche Anwendung von GnRH-Agonisten und -Antagonisten denselben Effekt einer Art „temporären Menopause“, was die Durchführung anderer Behandlungen ermöglicht. Anstatt eines starken Anstiegs der FSH- und LH-Spiegel und anschließenden Hemmung dieser Hormone bewirken die GnRH-Antagonisten diese „temporäre Menopause“, indem sie verhindern, dass die Hypophyse auf das GnRH anspricht, und somit die LH- und FSH-Freisetzung hemmen.

Diese Art von Medikamenten ist u. a. während einer IVF-Behandlung wichtig, da der/die Arzt/Ärztin kontrollieren muss, wann eine Eizelle freigesetzt und somit gewonnen und befruchtet werden kann. Durch die Möglichkeit zur Kontrolle dieser Vorgänge mittels der GnRH-Analoga erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen IVF-Behandlung [12]. Die Anwendung der GnRH-Analoga ist zudem hilfreich bei der Behandlung anderer Erkrankungen wie Myome und Endometriose [13].

 

Zusammenfassung: Gonadoliberin (GnRH) und deine Fruchtbarkeit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Gonadoliberin (GnRH) nicht nur ein unglaublich wichtiges Hormon ist, das viele Aspekte des Fortpflanzungssystems unseres Körpers koordiniert, sondern zudem ein zentraler Zugangspunkt für medizinische Verfahren, sei es zum Erreichen einer Empfängnis und Schwangerschaft oder zur Behandlung von Erkrankungen des Fortpflanzungssystems.

Aufgrund seiner einzigartigen Bedeutung als das Schlüsselhormon zur Kontrolle des LH und FSH und anderer für die Fortpflanzung entscheidender Hormone können die Wirkung des GnRH imitierende Medikamente die Freisetzung dieser Fortpflanzungshormone vorübergehend „abschalten“, was eine Behandlung unerwünschter Symptome ermöglicht oder die Chancen auf eine Schwangerschaft durch IVF erhöht.

Das Verständnis der Funktion dieser verschiedenen Hormone mag zunächst wie ein schwieriges Unterfangen erscheinen, durch die Kenntnis des eigenen Körpers können wir jedoch nicht nur unsere Empfängnischancen erhöhen, sondern zudem ein umfassenderes Bild unserer allgemeinen Gesundheit und Wohlbefindens bekommen.

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References

1. Marques P, Skorupskaite K, Rozario KS, et al. Physiology of GnRH and Gonadotropin Secretion. [Updated 2022 Jan 5]. In: Feingold KR, Anawalt B, Boyce A, et al., editors. Endotext [Internet]. South Dartmouth (MA): MDText.com, Inc.; 2000-. Available from: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK279070/

2. Dorsey, A. et al. (2021). Sleep and Circadian Rhythms. Front. Neurosci., 14 January 2021 https://doi.org/10.3389/fnins.2020.625397

3. Reed BG, Carr BR. (2000). The Normal Menstrual Cycle and the Control of Ovulation. [Updated 2018 Aug 5]. In: Feingold KR, Anawalt B, Boyce A, et al., editors. Available from: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK279054/

4. Sepideh K., Pegah V. (2018). Gonadotropin Releasing Hormone. Reference Module in Biomedical Sciences. Elsevier. 2018. https://doi.org/10.1016/B978-0-12-801238-3.98031-0.

5. Cleveland Clinic. (2022). Gonadotropin-Releasing Hormone (GnRH). Available from: https://my.clevelandclinic.org/health/body/22525-gonadotropin-releasing-hormone#:~:text=Conditions%20associated%20with%20low%20GnRH%20levels%20in%20males%20include%3A,(no%20sperm%20in%20ejaculate)

6. Magon N. (2011). Gonadotropin releasing hormone agonists: Expanding vistas. Indian journal of endocrinology and metabolism, 15(4), 261–267. https://doi.org/10.4103/2230-8210.85575

7. Küpker, W., Felberbaum, R. E., Krapp, M., Schill, T., Malik, E., & Diedrich, K. (2002). Use of GnRH antagonists in the treatment of endometriosis. Reproductive biomedicine online, 5(1), 12–16. https://doi.org/10.1016/s1472-6483(10)61590-8

8. McCartney CR, Eagleson CA, Marshall JC. Regulation of gonadotropin secretion: implications for polycystic ovary syndrome. Semin Reprod Med. 2002 Nov;20(4):317-26. doi: 10.1055/s-2002-36706. PMID: 12536355.

9. Weiss, J. M., Ludwig, M., Ortmann, O., & Diedrich, K. (2003). GnRH antagonists in the treatment of infertility. Annals of medicine, 35(7), 512–522. https://doi.org/10.1080/07853890310001302

10. Labrie, F. et al. (2005). Gonadotropin-Releasing Hormone Agonists in the Treatment of Prostate Cancer, Endocrine Reviews, Volume 26, Issue 3(1), Pages 361–379, https://doi.org/10.1210/er.2004-0017

11. Ehlers K, Halvorson L (2013). "Gonadotropin-releasing Hormone (GnRH) and the GnRH Receptor (GnRHR)". The Global Library of Women's Medicine. doi:10.3843/GLOWM.10285.

12. Hayden, C. (2008). GnRH analogues: applications in assisted reproductive techniques, European Journal of Endocrinology, 159(suppl_1), S17-S25. Retrieved May 26, 2022, from https://eje.bioscientifica.com/view/journals/eje/159/suppl_1/S17.xml

13. Hodgson R, Bhave Chittawar P, Farquhar C. GnRH agonists for uterine fibroids. Cochrane Database Syst Rev. 2017;2017(10): CD012846. doi:10.1002/14651858.CD012846

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